Resistente Stärke – verborgener Schatz der Resteküche
Getreideprodukte wie Brot, Reis, Nudeln, Getreideflocken sowie auch Kartoffeln und Hülsenfrüchte enthalten unterschiedliche Mengen an komplexen Kohlenhydraten, die in erster Linie in Form von Stärke vorliegen. Während die Stärke aus Getreide für den menschlichen Körper relativ gut verdaulich ist, sind rohe Kartoffeln aufgrund des hohen Anteils an unverdaulicher, „resistenter“ Stärke nicht für den Verzehr geeignet. Erst wenn Kartoffeln gekocht werden, kann die enthaltene Stärke aufquellen, von den Verdauungsenzymen aufgespalten und im Darm resorbiert werden. So weit ist das im Großen und Ganzen gut bekannt.
Ein Hoch auf die Resteküche!
Was viele aber nicht wissen: Kühlen gekochte Kartoffeln und auch andere stärkehaltige Lebensmittel ab, bildet sich zum Teil wieder unverdauliche, „resistente“ oder auch so genannte „retrogradierte“ Stärke. Sie zählt zu den Ballaststoffen und zeigt auch ähnliche, gesundheitsfördernde Wirkungen. Abgekühlte Kartoffeln, Nudeln oder Reis enthalten also noch mehr „Ballaststoffe“ als frisch gekochte und sind damit ein wertvoller Bestandteil einer gesundheitsbewussten Ernährung.
Eine Frage des Typs
Je nach Vorkommen bzw. Entstehungsart werden fünf Typen resistenter Stärke unterschieden. Resistente Stärke vom Typ 1 und Typ 2 kommt bereits natürlicherweise in Lebensmitteln vor wie z.B. in rohen Kartoffeln, wenig reifen Bananen, Hülsenfrüchten, Getreidekörnern oder Samen und Saaten. Typ 3 der resistenten Stärke entsteht, wenn die Stärke in Kartoffeln, Reis, Teigwaren oder Hülsenfrüchten nach dem Abkühlen ihre chemische Struktur verändert. Die zwei weiteren Typen 4 und 5 beziehen sich auf chemisch modifizierte Stärken, wie sie in bestimmten Brot- und Kuchensorten sowie Ballaststoffdrinks eingesetzt werden. Hier ein paar Beispiele guter Quellen resistenter Stärke:
100 g weiße Bohnen (gekocht): circa 10 g
1 wenig reife Banane: 4,7 g
½ Tasse Vollkornhaferflocken: 4,6 g
100 g Kartoffel (gekocht und abgekühlt): 3,2 g
100 g geschälter Reis (gekocht und abgekühlt): 3,1 g
100 g Bratkartoffeln: 2,8 g
1 Tasse Vollkorn-Pasta (gekocht und abgekühlt): 2 g
100 g Karotten: 1,6 g
1 Scheibe Vollkornbrot: 1 g
Ein(-)Blick in die Chemie: so entsteht resistente Stärke vom Typ 3
Für jene, die sich für die Chemie dahinter interessieren: Stärke ist ein Polysaccharid (Mehrfachzucker) aus Glukosemolekülen (Traubenzucker), die aneinandergekettet als unverzweigte Amylose- und verzweigte Amylopektin-Bausteine vorliegen. Beim Abkühlen – insbesondere bei Temperaturen von 4-5 °C und ausreichender Feuchtigkeit – neigen die Amylose-Moleküle aufgrund ihrer linearen Struktur dazu, eine Doppelhelix zu bilden. Diese veränderte Struktur verhindert die Fähigkeit zur Wasseraufnahme und damit auch die Anbindung von Verdauungsenzymen (Amylase), sodass die Amylose nicht verdaut werden kann. Dieser Umbildungsprozess beansprucht etwa 12 Stunden.
Auch Verarbeitungsprozesse wie die Kochzeit und -intensität nehmen Einfluss auf die Menge an gebildeter resistenter Stärke, wobei sich eine niedrigere Temperatur und längere Erhitzungsdauer positiv auswirken. Der Gehalt steigt auch, wenn gekochte und abgekühlte Lebensmittel wieder aufgewärmt werden.
Nahrung für einen gesunden Darm und Stoffwechsel
Resistente Stärke bietet verschiedene gesundheitliche Vorteile aufgrund ihrer unverdaulichen Eigenschaften und physiologischen Funktionen. Sie zählt zu den präbiotisch wirksamen Ballaststoffen und fördert – neben der Verdauung – auch die Vielfalt der nützlichen mikrobiellen Darmflora, während sie das Wachstum gesundheitsschädlicher Darmbakterien hemmt. Und das funktioniert so: Die in den Dickdarm gelangende resistente Stärke kann von den Darmbakterien als Nahrung herangezogen, sprich verstoffwechselt werden. Dabei entstehen die kurzkettigen Fettsäuren Butyrat, Acetat und Propionat, die wahrscheinlich vor Darmkrebs schützen können. So verbessert besonders Butyrat als bevorzugtes Energiesubstrat der Darmschleimhautzellen die Zellteilung und damit auch die Erneuerung des Schleimhautgewebes. Der Schutzeffekt der kurzkettigen Fettsäuren wird auch durch die Senkung des ph-Werts verstärkt, denn ein niedriger pH-Wert im Magen-Darm-Trakt fördert die Bindung von krebserregenden Substanzen an Ballaststoffe und damit ihre Ausscheidung. Außerdem hemmt dies die Bildung von krebsfördernden Gallensäuren.
Besonders Personen, die bereits an Stoffwechselerkrankungen wie z.B. Diabetes mellitus leiden, können auch von einem weniger starken Anstieg des Blutzuckerspiegels nach dem Konsum von Lebensmitteln reich an resistenter Stärke profitieren. Ebenso können sich Entzündungswerte sowie die Nierenfunktion und möglicherweise auch die Blutfette verbessern. Für die Wissenschaft gibt es hier allerdings noch einiges zu tun. So ist auch noch nicht geklärt, ob die gesundheitlichen Effekte nur für bestimmte Typen resistenter Stärke gelten und wie diese zwischen verschiedenen Personengruppen variieren. Unabhängig davon steht jedenfalls außer Frage: Eine Ernährung, die reich an resistenter Stärke und an Ballaststoffen insgesamt ist, bringt zahlreiche gesundheitliche Benefits. Mit dem Genuss von übrig gebliebenen Kartoffeln, Reis & Co kann die tägliche Ballaststoffzufuhr bewusst erhöht werden.
Dieser Blogbeitrag entstand in Zusammenarbeit mit SIPCAN. Vielen Dank.